Ist jetzt die Hölle eingefroren? Hat Reinhard Haberfellner den digitalen Weg verlassen? Weder noch! Aber ich gestehe: Ich hab mir einen neuen Plattenspieler gekauft und liebe ihn sehr. Back to Vinyl. Wie es dazu kam ist Inhalt des heutigen Berichtes. 

Unzufriedenheit genügt nicht, das muss praktische Folgen haben

Bert Brecht

Der Anfang ist eher privat, der Deal des Abverkaufes meines alten LP12 (ohne Modifikationen) hat mich im Nachhinein geärgert. Daher wurde auch der REGA „Queen Edition“ nicht wirklich mein Freund. Andererseits warten wie ihr bereits wisst fast 2000 Platten im Haus darauf wieder entdeckt zu werden, viele inhaltlich nicht im StreamingPortal meiner Wahl (TIDAL, what else?) vorhanden. 

Keine Scheu vor unbekannt

https://thelion.diskstation.eu:8081/holzhofer/http://ue-consult.deAlso ran ans Werk, über Willhaben einen Queen Fan glücklich gemacht und mit einigen Freunden beraten was es werden könnte. Project war für mich nicht erst nach der schamlosen optischen LP12 Kopie kein Thema; für das Wunschlaufwerk von Vertere leider nicht genug Rahmen am Konto. Der mittlerweile zu einem guten Freund gewordene HiFi-Profi Günther Holzhofer hat dann den entscheidenden Tip geliefert: „Kauf dir doch einen Scheu!“ Ich geb es ja zu, noch nie zuvor von Scheu Plattenspielern gehört oder gelesen zu haben. Aber die Website hat mich auf Anhieb fasziniert, das Laufwerk CELLO mit Maxi-Teller (5cm hoch und fast 5 kg schwer) war gerade noch erschwinglich für das Zweithobby Vinyl, also ran an die Maschine, die in meiner Ausführung um weniger als 2000 Euro im Handel zu finden ist. Im Zweifelsfall weiß Günther Holzhofer wo genau. Aber bitte beurteilt ihn nicht nach seiner Webseite, wäre ein großer Fehler 😉 

Scheu Cello – Rega RB250 – OM10/Benz MC10

Zentrallager Scheulaufwerk
Das Lager des Tellers
Kugellagerung innen_Scheu
Keramik-Kugel innen

Geliefert wird der CELLO von Scheu perfekt verpackt, zum Aufstellen sollte man aber doch etwas Basiswissen mitbringen über Plattenspieler.

Absolut waagrechte Positionierung ist natürlich Pflicht, Einstellbare Füße des Cello helfen dabei enorm. Standardversion ist ein Rega- RB250 Tonarm und ein Ortofonsystem OM10. Wer jetzt nach dem Preis schaut im Web und denkt um 50.- gibt es keinen vernünftigen Ton aus einem System von Ortofon, macht bereits den ersten Fehler.

Ich war ehrlich gesagt platt von Beginn an. Oder besser positiv aufgeregt. Schon die ersten LPs klangen plötzlich dynamisch reichhaltig, tief gestaffelt und klangfarbenreich wie ich es nicht erwartet hätte. Mein Vorverstärker NAD C658 besitzt ja einen Phonoeingang, also kein Prepreamp nötig – vorerst. Lou Reed walked on the wild side, schöner als je zuvor. Dafür bläst Chuck Mangione mit „Children of Sanchez“ den letzten Staub vom Teppich, druckvoll aber präzise, trocken oder fett, wie auch immer gespielt wird. Charly Bird hat bei mir noch nie so schon „Tea for two“ serviert, Material „Take a Chance“ wie die ganze Stahlindustrie und hämmern wie verrückt. Glasklar bringt die Sheffield Track Record nicht nur ein Quentchen „Amuseum“. Es macht soviel Spaß, unpackbar. Endlich kann ich auch meine 45er Audio Check Record Vol.1 spielen. Direct to disc, die Musiker stehn im Zimmer und ich könnte ihnen fast persönlich die Hand schütteln nach der wunderbaren Performance.

Wer hätte gedacht, dass ich noch mal soviel Freude mit schwarzen Scheiben haben würde. Aber noch war ja nicht das Ende erreicht, denn da war noch ein kleiner Zusatzdeal mit einem BENZ MC10 geplant, einem Moving Coil Tonabnehmer mit hoher Ausgangsspannung, der noch einmal mehr an Auflösung, Transparenz und „BANG for the buck“ bieten sollte. Und es auch getan hat, in jeder Hinsicht. 

Sensibilität die Individuellen Klang ermöglicht

Kaum zu sehen – der Antriebsfaden

Bevor aber dieses Stück seinen Dienst tun sollte noch ein paar Eigenheiten des neuen Laufwerkes. Angetrieben wird der Scheu CELLO von einem kollektorlosen Gleichstrommotor über einen fast unsichtbaren dünnen Faden. Weil er so schwer wieder zu finden ist, wenn er abgenommen wird, sind gleich 200 m Ersatz dabei im Lieferumfang. Dass damit keinerlei Vibrationen weiter gegeben werden ist klar. Der präzise Lauf mit dem auch im Topmodell von Scheu verbauten Lager kann an der  beigelegten Stroboskopscheibe abgelesen werden. Von 33 Umdrehungen / Minute läuft das Laufwerk über 3 Minuten weiter ohne Antrieb, wenn man den String entfernt.

Der ungemein spritzige Klang des Laufwerkes reagiert übrigens deutlich auf verschiedene Unterlagen. Ob man eine Sorbothanplatte, eine Marmorplatte oder Ikeas Holzbrett unterlegt führt zu verschiedener Klang-Charakteristik. nochmals anders ist es wie die Platte darunter gelagert ist. Flach auf dem Ikea-Tischchen, mit Oehlbach-Gummi gedämpft, oder gar Spikes? Man kann seine Klangpräferenz einstellen, der eine mags ja eher „in your face“ während dem anderen nach softeren Klängen dürstet. 

Benz MC 10 Highoutput

Ebenso „empfindlich“, soll heißen genau ist der Schau Cello für die Verwendung diverser Abstandshalterungen am Tonabnehmer System. Der Ortofon OM10 Tonabnehmer war nämlich fast 4 mm höher als das Benz MC10. Daher muss – um den Vertikalen Winkel des Diamanten  (VTA) richtig zu justieren entweder der Tonarm gesenkt werden, oder zwischen Tonarm und Abnehmersystem eine Distanzscheibe zum Einsatz kommen. Wenig überraschend, dass ein kleines hohles Plastikteil etwas verwaschener klingt als kleine Metallplättchen dazwischen. 

Die Geheimnisse des VTA

Genaue Definition gefunden bei https://www.audioappraisal.com

Noch ein Wort zum VTA : Üblicherweise sollte der Tonarm ziemlich exakt parallel zur Oberfläche des Plattentellers ausgerichtet sein, dann kann man davon ausgehen dass die Kante des Diamanten das Optimum an Rilleninformation abtastet. Kleine Änderungen an der Tonarmbasis, oder an der Einbauhöhe des Tonabnehmers bewirken ein mehr (= +Verzerrungen) oder weniger an Höhen, man „merkt“ es einfach wenn alles passt. Wer mit Auflagematten aus Kork, Filz ( antistatisch bitte), Leder oder anderen Materialien experimentiert, sollte bedenken, dass verschiedene Dicken der Matte auch den VTA ändern; eventuell klingt also nicht die Matte dumpf sondern nur der falsche VTA. Also für jede Matte den VTA neu optimieren, erst dann weiß man wie gut es klingen kann. Mehr zum Einstellen findet man auf der hervorragenden Seite von Good Vinyl oder AudioAppraisal

MQA als Referenz

Woher nimmt man aber die Referenz, ob es zu hell oder zu soft klingt, wie weiss man welches Klangbild dem Tonmeister vorgeschwebt hat? Nun, da sind wir wieder bei Streaming mit CD Qualität oder besser noch MQA Codierung. Nachdem Gottseidank sehr viele meiner Platten auch schon in bester Form als Stream erhältlich sind, kann hier der Vergleich sicher machen.

Zum Beispiel klingt  die Platte von Johnny Guitar Watson mit dem häßlichsten Cover aller Zeiten JETZT bei mir zu Hause auch so gut wie ihr Pendant auf Tidal, wer will sollte sich „A Real Mother For YA“ anhören auf beiden Tonträgern. Fetter Moog, strahlende Gitarre, präzise Schläge auf der Snare. Oder der alte G am Klavier, mit hammerharter aber immer eleganter “Handschrift“.

Nicht nur weil die LPs von Monkeymusik das reine Vergnügen waren mit Molden, Ostbahn und Co habe ich natürlich als Ersten Walter Gröbchen angerufen und meine Rückkehr zu Vinyl gebeichtet. Wir sind uns aber beide einig, dass sowohl Vinyl als auch Streaming in bester Zweifaltigkeit koexistieren und Freude verschaffen. Bei Plattenspielern ist mit Scheu Analog jetzt für mich – und nicht nur für mich – die richtige Adresse gefunden. Und falls jemand mit 30.000 Euro Laufwerk behauptet Vinyl klingt besser als MQA, erwarte ich mir zumindest den Brinkmann DAC als Vergleichsobjekt, nicht den Audioquest Dragon.