Ob Netzkabel abgeschirmt sein sollen oder nicht ist gar nicht so klar wie es scheint. Ein Widerruf, zumindest teilweise. 

Die High-Fidele Wurmkiste

Kaum ein Thema wird bei näherer Betrachtung so kontrovers diskutiert wie die Abschirmung von Netzkabeln. Auch yours truly hat schon für eine solide Abschirmung von Netzkabeln votiert. In letzter Zeit aber bin ich auf immer mehr Hinweise gestoßen, dass Abschirmung nicht nur positive Effekte haben kann. Höchste Zeit für etwas Recherche und – natürlich – praktische Übung. 

Abschirmung wozu überhaupt

Lasst uns zuerat einmal festhalten, warum ein Netzkabel überhaupt abgeschirmt werden soll. Wie wir wissen ist die Luft rund um unsere HiFi-Anlage und auch die Kabel voller Strahlung. WiFi, terrestrische Rundfunk und TV-Übertragung, Störstrahlung von Motoren, Mixern oder Schaltnetzteilen schwirren durch die Luft . Und auch die mit 50 Hz pulsierende Wechselspannung in den beiden Stromleitern brummt gemütlich vor sich hin, bleibt aber leider nicht nur im Draht sondern streut von innen aus auf andere Geräte und Kabeln aus. 

Es klingt also durchaus vernünftig, wenn man Vorkehrung trifft, dass Stromkabel nix abstrahlen und auch nichts aufnehmen vom elektronischen Mist rundherum, denn sonst könnten sie ja auf dem Weg der Versorgung Eingang in unsere Streamer, Verstärker und diverse Zusatzgeräte finden. 

Bild 1 zeigt den Aufbau eines hochwertigen Stromkabels , leicht angeschnitten um das Innere zu entblößen. Ganz drinnen sind 3 Kupfer-Litzen mit 2.5 Quadrat Querschnitt, 2 davon für den Strom, 1 als Null-Leiter oder Erdung, um uns vor Stromschlägen am Gehäuse zu schützen. Um diese 3 einzeln isolierten Litzen ist ein Kunststoffmantel, der  ein Kupfergeflecht trägt, Abschirmung 1 gegen Einstrahlungen. Darüber in unserem Fall noch eine Alufolie, die besonders hochfrequente Einstrahlungen abhalten soll vor dem Eindringen. 

Die Abschirmung muss natürlich geerdet sein, konventionelle Weisheit sagt dass dies nur auf einer Seite geschehen soll, und zwar auf Seite der Quelle. Aber schon bei dieser „Tatsache“ stößt Tante Google auf widersprüchliches. Ich habe nämlich Dokumente entdeckt, die für Erdanschluss auf beiden Kabelenden plädieren , zb in dieser Interessanten Abhandlung. https://alpha-audio.net/background/cable-shielding-and-a-diy-power-cord/

Abschirmung mit den Leitern bildet Kondensator

Und das am öftesten gefundene Wort hier ist „in some cases“. Denn die Abschirmung ist elektrisch gesehen nicht trivial, hat sie doch auch nicht gewünschte Auswirkungen. Eine große Metalloberfläche über einer anderen , also der Schirm in Relation zum Leiter des Stromes, bildet nämlich auch einen Kondensator , der wiederum Energie speichert zwischenzeitlich. Und das ist der Grund warum einige Kabelhersteller abraten von geschirmten Kabeln für die Netzversorgung. Paul Gowan , Mr PS Audio und laut seinen eigenen Worten Großvater der Netzkabelforschung hat bereits vor vielen Jahren auf die Frage eines Kunden , ob Netzkabelschirmung gut oder böse ist, geantwortet: Ja, beides. In dem recht empfehlenswerten Youtube Video erklärt er dass Schirmung dem Klang schaden kann. Aber auch notwendig , besonders gegen Einstreuungen von Geräten in das Stromkabel. Also es ist ganz einfach „You have to do it right“. Eh kloar. Ferrit-Ringe mag Paul übrigens nicht, die viele an Kabeln gesteckt nutzen.

Eupen – das neue Must have? 

Der Ausgangspunkt meiner Reise durch das Wunderland von Netzkabel Ausführungen war https://www.audioservice-blank.de/epages/15261498.sf/de_DE 

Eigentlich wollte ich ja dort nur Baumwollschläuche kaufen um der Aufladung entlang des Kabels Einhalt zu gebieten. Aber die geflochtenen Netzkabel haben mein Interesse geweckt. Auch weil ich noch nie was von Eupen gehört habe. Dabei handelt es sich um Kupferkabel, die mit einer Ferrit-Mischung beschichtet sind. dadurch wird die Einstreuung verringert und auch Abstrahlung reduziert. Zusätzlich werden die 3 beschichteten Leiter noch zu Zöpfen geflochten, um Eintreuungen komplett zu verwirren und deutlich zu kompensieren. 

Ja , ich hab schon ein Eupen-Kabel bestellt , für die Strecke zwischen meinem Powerquestfilter und der Steckdose, die einige Meter ausmacht. Aber bin ich einer der wartet bis alles im Haus ist, wenn es juckt zu probieren? Nein. 

Baby, take of your coat 

Meine Endstufe von Nelson Pass hängt mit kurzem aber 2 fach geschirmten Kabel am Filter. Dieses Kabel hat satte 30 € gekostet, und war Ausgangspunkt des ersten Versuches. Pailvens HiFi Netzkabel 3 Polig, High End Stromkabel mit dichten Schirmgeflecht, vergoldeten EU Stecker, 12 AWG Kaltgerätekabel für Lautsprecher, Subwoofer, Leistungsverstärker (1.5m, Schwarz)

Die großartig ausgeführten Stecker kann man abschrauben, dann das äussere Kunststoffgeflecht entfernen, das dem Kabel den coolen schwarzen Look gibt. In der Folge wird der Gummiüberzug aufgeschnitten, und die Alufolie bzw das Kupfergeflecht entsorgt. Nach Entfernen der Baumwollummantelung – ja es war wirklich toll ausgeführt innen – bleiben die 3 isolierten Kupferleiter übrig. Von links darüber, von rechts darüber, von links darüber und so weiter, bis der Zopf fertig ist . Nun wieder die schwarze Hülle darüber und fertig ist das unabgeschirmte Kabel. 

Aufgeräumter Bass als Ergebnis 

Fragt mich bitte nicht genau wieso, aber das Ergebnis meiner Schlankheitskur für das Netzkabel war ein entschlackter Bass, eine Aufgeräumtheit in den unteren Registern, die vorher nicht da war. Und mit unteren Registern meine ich NICHT den Bereich unterhalb von 70 Hz, den mein Subwoofer abdeckt, sondern den Bereich unter 500 Hz etwa. Was vorher vielleicht satte Basswiedergabe war, hat sich womöglich als zu viel des Guten herausgestellt, als unerwünschte Überlagerung von echtem Sound und nachgeschobener Energie aus einem virtuellen Kondensator. 

Bevor ihr mir Einbildung, psychoakustisches Wunschdenken oder was immer vorwerft , bitte probiert es selber aus. Kabel mit 3 x 2.5mm2 kosten nicht die Welt und möglicherweise ist der einfache Zopf besser als das Ultra-Super-Powermonster-Kabel. 

Diese Geschichte geht weiter , wenn das Eupen- Kabel da ist , bis dahin aber bin ich wieder einmal zufrieden , aber auch noch immer etwas verwirrt von den vielen Einflüssen die Abschirmung verursachen kann. 

Nachtrag: OMG – Jetzt ist es wirklich kollosal

Das Netzkabel wurde geliefert , und wie mein anderes vorher vom Schirm befreit und zum Zopf geflochten. Damit wurde die Verbindung zwischen Steckdose und Powerquest- Filter ersetzt. Und es ist kaum zu glauben , wie das Klangbild nochmal „aufgeht“, freier, durchsichtiger, detaillierter wird, der Bass die volle Authorität zurückgewinnt und Harmonien im Ausschwingen nachvollziehbar sind. Ausschwingende Klaviersaiten strömen alle Klangfarben unbeschwert ins Zimmer. Jetzt ist wirklich nichts mehr auszusetzen. Zumindest bis zur nächsten Idee, die es zu verfolgen und verifizieren gilt. Probiert bitte selber ein Ferritbeschichtetes Eupen Kabel mit 2,5mm2 aus, und ihr werdet vielleicht auch Wunder erleben so wie ich .