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Spätestens nach den Berichten des Reports über die weltweiten Erträge der Musikindustrie 2019 ist klar, Streamen ist endgültig IN . Musik kommt nicht mehr vorwiegend vom physischen Tonträger wie Schallplatte, CD oder Festplatte, sondern „aus der Cloud“. Das ist nicht nur komfortabel und preiswerter (1) sondern kann auch bessere Qualität sein. Und für uns HiFi-Folks kommt da schnell das Kürzel MQA ins Spiel, leider auch mit vielen Falschinformationen und blankem Unsinn. 

IFPI Statistik  2019
© GLOBAL MUSIC REPORT IFPI.org

Daher ist es hoch an der Zeit ein wenig Aufklärung zu betreiben. Hier mein Versuch: 

MQA ist nicht nur ein CODEC! 

Im Unterschied zu MP3 , WMF oder AAC , welche die Algorithmen festlegen, nach denen ein Signal COdiert und DECodiert wird , ist MQA ein ganzheitlicher Prozess, wie schon der volle Name MASTER QUALITY AUTHENTICATED andeutet. Bei MQA geht es also um die Qualität vom Anfang bis zum Ende , und ihre Authentifizierung durch den Künstler/Produzenten/Toningenieur. 

MQA wurde von Anfang an entwickelt mit verschiedenen Vorgaben: Die Unzulänglichkeiten vergangener Analog- und Digitaltechnik sollten bestmöglich korrigiert werden. Wenn man heute also weiss, dass zb: bei einer Studer Maschine aus den 70er Jahren gewisse Amplituden und Phasenverzerrungen mit in Kauf genommen werden mussten ( solche Exemplare existieren ja noch funktionsfähig und können mit modernster Messtechnik genau analysiert werden), so werden diese „Fehler“ kompensiert bzw.  „herausgerechnet“.  Zweiter Punkt ist der optimierte Transport hochaufgelöster Musiksignale. 96 kHz mit 24 Bit übertragen brauchen normalerweise bereits zwischen 6 und 8 Mb/Sekunde Download-Stream, ungestört und ungeteilt! In üblichen gestressten Netzen – um 18 h wenn alle von der Arbeit nach Hause kommen – eine Anforderung, die auch LTE oder UPC Kabel-Internet-Nutzern nicht immer zur Verfügung steht. Weltweit – mit Ausnahme von Korea und Schweden vielleicht – das gleiche Problem, am Land umso mehr. Daher war Vorgabe an die MQA Entwickler, dass nicht mehr als 1,5 Mb/Sekunde gebraucht werden dürfen, ein Wert den auch 16 Bit/44 kHz beansprucht. Und drittens war die Vorgabe: Eigenheiten des DACs am Ende genauso herauszurechnen wie bei der Aufnahmemaschine. Noch wichtiger aber: Was immer das Ausgangsgerät digital kann, muss problemlos abgespielt werden, Auf- und Abwärtskompatibilität also für alles zwischen Stereo 44 kHz 16 Bit bis Multikanal 192 kHz 24 Bit, Stereo auch noch 352 kHz . Das heisst, die Aufnahme liegt zwischen  44 kHz und 16 Bit als unterste Qualitätsebene und 2L mässig himmlichen 356 kHz 32 Bit, abgespielt wird vom Gerät soviel es eben leisten kann, meisten heutzutage 96 oder 192 kHz mit 24 Bit, das Küchenradio aber macht daraus 16 Bit 44kHz, der Highend DAC holt volle Frequenzen ins Haus bis zum Original. 

Warum denn überhaupt High Resolution? 

Wie man aus neuester psychoakustischer Forschung weiss, kann das menschliche Ohr einzelne Töne oberhalb von etwa 18 kHz nicht mehr wahrnehmen , bei uns älteren Herrschaften ist schon viel früher Sendepause (10 kHz wär schön für mich); aber die Entscheidung ob ein Impuls genau von vorn oder weniger Zentimeter daneben kommt, ist messtechnisch und hörtechnisch möglich bis in einen Bereich der deutlich über 50 kHz Bandbreite entsprechen würde, daher ist gerade zur Wahrnehmung räumlicher Feinheiten, Entwicklung des Nachhalls etc. ein Frequenzbereich von 20 kHz nicht  mehr ausreichend. 

Und auch wenn unsere Räume kaum mehr als 70 dB Dynamikumfang zulassen zum Abhören, zwischen dem Flohhusten also das sich gerade noch über Umgebungslärm erhebt und Sacre de Printemps Megahammer der die Lautspechermembran ans Gehäuse klopfen lässt und den letzten Tropfen Elektrizität aus den Kondensatoren des Amps saugt, so wollen wird doch – sicher ist sicher – das Rauschen der Signalquelle fern halten, damit es nicht das Ausklingen der Töne verhüllt. Und die Stufen zwischen den Lautstärkewerten hätten wir gerne in 24 Bit Auflösung, also sehr fein abgestuft in winzigen Nuancen.

2. Ein wenig Mathematik tut nicht weh. 

Ein zweiter Grund für höhere Auflösung liegt in der Praxis digitaler Filter. Einerseits müssen sie alles über der doppelten Signalfrequenz rigoros ausfiltern , sonst entstehen falsche Signale. Mehr dazu in diesem 1A Video von XIPH.org  

Andererseits produzieren steile Filter Timing- und Phasenfehler übler Sorte. Daher macht es auch Sinn die gleiche Information doppelt so schnell zweimal zu senden, da dann das Filter viel mehr Platz zum Ausfiltern nutzen kann. Wie gesagt, das Video von XIPH zeigt das schön alles im Detail. 

Von 0 bis 22 kHz mit über 100 dB Rauschabstand ist rechts der Inforaum der CD , rot und braun die Rauschgrenzen des Hintergrundrauschens, das gestreifte „Zettelchen“ enthält die Info über den Bereich B und C . Das goldene Dreieck ist der verlustlose Bereich von MQA!

In der Digitalen Ebene kann man so manches verschachteln , codieren und verbergen bzw. wieder auseinander falten am Schluss. Daher auch der begriff Musik Origami, den MQA gewählt hat. Die cleveren Techniker haben nämlich die Info bis 44 kHz und 16 Bit Tiefe im Original belassen, den Musik-Signalanteil oberhalb von 44 kHz aber, der ohnehin pegelmässig viel viel kleiner ist, extra auf ein „Zettelchen“ verpackt, das sie unter dem Rauschteppich legen. Ein voller MQA Decoder kann nun dieses Zettelchen lesen und daraus die Signalanteile oberhalb der „normalen Grenze“ 44 kHz wieder entziffern und in Klanganteile umsetzen. Klanganteile im Sinne von Feinstruktur des zischenden Beckens, steht das vor der Wand oder im Freien, ist die Snare weiter hinten oder grad drunter etc. 

3. Der heilige Gral der Verlustlosigkeit

Einfache Gemüter und halbgebildeteTechniker hängen sich gemeinhin an der Frage verlustlos oder nicht auf. Verlustlos würde bedeuten, ein Signal wird so codiert und decodiert, dass am Ende mathematisch exakt das selbe Signal gefunden werden kann. So ein Signal ist aber wie wir wissen von WAV und ALAC Codecs nicht mehr viel zu komprimieren, d.h.. die Vorgabe von „nicht mehr als CD Bandbreite“ lässt sich so nicht realisieren. Andererseits gibt es lange nach den mp3 Forschungen heute viel genauere Vorstellungen und Messungen, wie das Ohr im Zusammenspiel mit dem Gehirn, der Augenflüssigkeit und was sonst noch beteiligt ist, Signale analysieren kann und wo die Grenzen liegen. Auch ein einfacher Blick auf eine Fast Fourier Frequenzanalyse zeigt uns , dass oberhalb wichtiger Grund- und ersten Obertöne nur mer sehr kleine Signalanteile  vorhanden sind. Also war der Mitbegründer bei Meridian bzw. der mittlerweile gegründeten MQA Company nicht päpstlicher als der Papst, nicht penibler als unsere Ohren und hat sich für den Kompromiss „nicht verlustlos, aber nur oberhalb von 20 kHz, darunter alles unverändert“ entschieden. 

Je nach Fähigkeiten des Endgerätes wird A , AB oder ABC ausgelesen. Der graue Bereich ist versteckt codiert und wird von MQA entschlüsselt, ohne MQA einfach ignoriert.

4. Der Weg inklusive Ziel  – authentisch 

Ganz in weiss , ein echter klanglicher Traum, full MQA bis 192 kHz , der BLUESOUND NODE2i um 549.-

MQA codiert also ein in den meisten Fällen nochmals sorgfältig renoviertes Masterband ( das sogenannte „White Glove“ Verfahren, also mit weissen Handschuhen gestreichelt), rechnet die von der Aufzeichnungstechnik bekannten Fehler raus, und verpackt das ganze in ein Packerl der „Größe“ 44/16   inklusive Geheimzettelchen für bessere und beste nachfolgende DA Wandler. Ein MQA Core Decoder, der zB in LG Handys neuerer Bauart vorhanden ist ( software – oder hardwaremässig ist dabei egal) entpackt das Signal nach dem Transport und liest dem kommenden Wandler vor was immer er verstehen kann, bis 44 kHz, bis 96 kHz oder mehr . Ein vollständiger DEKODER wie er zB in einem Bluesound Node um 549.- oder einem S2 DAC von ProJect eingebaut ist, aber natürlich auch die wundervollen MYTEK , Meridian oder NAD DACs  können nicht nur die vollständigen Zettelchen entziffern, sondern auch noch den vom Tonmeister beigepackten Lieferschein bestätigen „alles angekommen, verstehe was du willst und spiele es genau so für meinen Hörkunden“ . DAS ist also die Authentifizierung , eine Bestätigung des lückenlosen Prozesses, meist angedeutet durch farbige LEDS . 

Kann man auch missinterpretieren als „pöses“ Copyright-Filter, sollte man aber nicht. 

5. MQA CD , wo zu den dieses? 

CDs aus Japan , Original Cover, nicht wie in Tidal amerikanisch prüde.

Die Tatsache, dass man das MQA codierte Signal in ein 44er Packerl bringt , hat auch – speziell in Japan- dazu geführt MQA CDs herzustellen , die für Normalbürger als normale CD abspielen , für MQA DAC Besitzer aber das volle Vergnügen entblättern . Funktioniert mit jedem CD Player der einen Digitalausgang besitzt, und den nicht extra beschneidet. Mein Uralt Sony DVD zB kann das , der externe LG  CD Player meines MAC um 29.- auch. Und bevor ein Kunststoff-Massierer nachfragt : NEIN, Vinyl ist ein analoger Prozess, da ist nix mit MQA.   Zum Ergebnis meiner Versuche: Dire Straits – Love over Gold und Blind Faith klangen noch nie so detailreich auf einer CD wie mit dem Japan MQA  Import. Ob es mir gelungen ist einen Unterschied zu hören zu Tidal MQA? Ich weiss echt nicht, wenn ja dann einen über den man stundenlang diskutieren kann. Ob und wo oder ob eben nicht. Nicht zu vergessen ist ja auch, dass alle Streamer und auch CD Player Software heutzutage größere Pufferspeicher benutzen, daher wird kaum etwas anders herauskommen, vom Stream aus der Leitung des Internets oder vom Stream des „optical out“ eines CD Players. 

6. Woher kommt also MQA wenn nicht von der CD? 

Die Tidal App am Desktop – man beachte meine Playlisten

Einfache Antwort bisher: Von Tidal.com , einem Streaming Service das von Beginn an auf höchste Qualität gesetzt hat und mittlerweile fast 15 000 Alben mit über 160 000 Titeln in MQA Qualität anbietet. Qobuz soll angeblich demnächst MQA ebenfalls anbieten, nachdem sowohl Android als auch iOS MQA fähig sind, erwarte ich  bald viel mehr Quellen. CDs gibts bei CD Japan  und bei UNAMAS

Letzte Frage: Wie klingt das eigentlich so?

Auch wenn früher führende HiFi-Marken wie LINN und B&W viel Skepsis und Kritik verbreiten ( könnte vielleicht Konkurrenzneid sein), halte ich es hier lieber mit den wirklich Großen im Metier des Klanges, den Tonmeistern und Mastering-Gurus. Morten Lindberg – Aufnahme-Chef von 2L aus Norwegen, der so gute Aufnahmen macht, dass ihm trotz äusserst OFF Broadway Musikauswahl schon mehr als 30 Mal ein Grammy angedroht wurde; BOB Katz – nicht nur Verfasser des Standardwerkes „Mastering Audio“, sondern Mastermind hinter legendäre Aufnahmen mit 3 echten Grammy Verleihungen ( Amerikaner müsste man sein, nicht Norweger denkt jetzt Morten 2L ); Meister Manfred Eicher, der den gesamten Katalog seines ECM Labels für Jazz und zeitgenössische Musik möglichst bald umgewandelt haben will in MQA: Sie alle stehen voll hinter diesem Format und können die Überlegenheit mit ihren goldenen Ohren bezeugen. Bis zum zweiten Unfold kann dies kostenlos jeder von euch, lieber Leser, eine Tidal App ist kostenlos, Audirvana als eine der besten Software-Apps auch als Test für 1 Monat, und so kann jeder mit Computer und halbwegs passabler Soundkarte hören wie gut schon halbes MQA klingt. Jeder meiner Freunde war nach Hörproben bei mir sicher, sogleich selber diese Qualität zu Hause haben zu wollen. Und überraschender Weise sind es oft alte Aufnahmen wie „Child in Time“ von Deep Purple, „Killing me softly“ der grandiosen Roberta Flack, oder „Fratres“ von Arvo Pärt mit Jarrett/Kremer an den Instrumenten, die mich sprachlos machten. Die Luftigkeit des Saltato von Gidon Cremer, die „Blasgeräusche“ der Hammondorgel von Jon Lord , die Position des Klavieres von Roberta Flack , oder auch die Harmonien des Synthis von „Lucky Man“ Keith Emmerson, es wird dir warm ums Herz, ohne Transparenz zu verlieren. Im Gegenteil, durchsichtig trotz Kerzenlicht würde ich sagen, bildlich wären wir da bei Barry Lyndon von Stanley Kubrick. Jedes ECM Album leuchtet neu auf, freigespült von Schleiern, neutral großartig wie optisch das Taj Mahal, und auch vom Musiker gleichen Namens gibts ein neues Album in MQA. Echt fett.

Am besten Sie hören das mal selber, es soll ja Händler geben die ausser Vinyl noch anderes präsentieren, PS Technik in Wien zB. wäre so einer, Raum-Akustik auch .

Last but not least: Vielen Dank für die Grafiken an MQA, weitere technische Information findet man unter www.bobtalks.co.uk. Und eine tiefe Verbeugung vor Bob Stuart, Peter Craven und dem gesamten Team von MQA und Tidal für “ Die signifikanteste Audio-Technology unseres Lebens“ ( Robert Harley, Absolut Sound“). Listen and your ears will tell you.

PS Kleines Streaming-Einstandsgeschenk von mir: Eine Liste der 250 wichtigsten Aufnahmen vom „Gramophone“ Magazin aus UK, empfohlen von 30 Weltinterpreten, umgesetzt in Tidal von mir. Mit vielen wichtigen MQA Tracks. https://tidal.com/playlist/0e19cb52-6471-4d81-951f-005bfbf824a2 Und natürlich gibts viele kuratierte MASTER-Playlisten mit Jazz, Classic und natürlich Hip Hop auf Tidal.

PPS Interessierten am White Glove Verfahren empfehle ich den Artikel über die Wiederveröffentlichung des „Like a virgin“ Albums von Madonna.

Ad (1) Der Zugriff auf so gut wie alle Alben der meisten Genres um 20 € pro Monat ist für Konsumenten ein Glücksfall. Wieviel von den 20 € die Musikindustrie einstreift, wieviel KomponistInnen, TexterInnen oder SängerInnen und Instrumentalisten bekommen ist eine völlig andere Diskussion, in der ich als Vater einer Musikerin gerne letztere unterstütze wo es geht.