Wenn ich in der Runde fragen würde, welche Komponente die wichtigste für die Qualität der Heimanlage wäre, höre ich vermutlich alles von Lautsprecher, Endverstärker, Stromfilter bis zu Kabeln. Seit letzter Woche würde ich persönlich Vorverstärker nennen. Weshalb klärt dieser kurze Erfahrungsbericht. 

Ruhe in Frieden

Anlass zur Erkenntnis war vorerst ein wenig erfreulicher. Einer der größten HiFi-Afficionados Österreichs wurde in das Reich der Harfenspieler abberufen, und hat, verantwortungsvoll wie er war, einen meiner Freunde zum Erben seiner Wahnsinnsanlage gemacht. Und wie es eben so geht wenn plötzlich ein riesiger Fuhrpark edelster HighEnd Komponenten zur Verfügung steht, war alles fast ein wenig zu viel für den Kumpan. Vor allem zu viel zum Schleppen, bzw. Verteilen der Preziosen und möglicherweise auch zum Verkauf nicht benötigter Teile. 

Im Rahmen dieser Tour war ich in der glücklichen Lage für zwei Wochen eines der absoluten Wunderwerke technischer Ingenieurskunst auszuleihen. Einen Spectral DMC 20 Vorverstärker. 

Spectral Vorverstärker DMC 20
Oben die Vorstufe, unten das Netzteil – Spectral DMC 20

Der Name Spectral Audio alleine führte bei mir zu Erinnerungen an die Höhepunkte meines HiFi-Lebens, zB sämtliche Vorführungen von Magico, dem State of the Art  Hersteller von Lautsprechern. 2013 wurde in München die Q7 vorgestellt, nicht auf der Messe sondern in einem besonderen Vorführraum des besten Händlers ebendort. Spectral war der Vorverstärker.Auch die Ultimate von Magico zwei Jahre später wurde mit Hilfe eines Spectral Vorverstärkers DMC 30 präsentiert. 

Um zu verstehen woher die Ausnahmestellung dieser Verstärker kommt , muss man etwas in den Geschichtsbüchern von Spectral kramen. 1980 hatten einige Ingenieure  in den USA die Idee basierend auf einem Messgeräteverstärker die ultimative HiFi-Verstärkerstufe zu erschaffen. Der DMC 10 galt seither als Nonplusultra seiner Zunft. Wenige Jahre später wurde überlegt, dieses Ergebnis noch ein wenig zu verfeinern , der DMC 20 war geboren. 

Gnadenlose Qualitätsoffensive

Wie auf dem Bild gut zu erkennen ist , besteht der DMC 20 aus zwei Teilen, ein 10 kg schweres Netzteil und ein 5 kg schwerer Vorverstärkerteil. Näheres zu dem Gerät findet sich ausführlich auf dieser Website

Nur zwei technische Daten um die aussergewöhnliche Stellung dieses Gerätes zu dokumentieren. Der Frequenzbereich wird mit  DC to 2.5 MHz, -0.10 dB any level to 36 V RMS  angegeben; das bedeutet nicht mehr und nicht weniger als dass von 0 bis 2,5 Megahertz  die Abweichung des Frequenzgangs von ideal linear maximal 0,1 dB beträgt. Und zwar bis zu 36 Volt Spannung , insgesamt kann bis zu 80 Volt abgerufen werden, ein Äquivalent eines 100 Watt Verstärkers. 

Wozu? Kann man bis 2 MHz hören? Natürlich nicht. Gibts eine Endstufe die 30 Volt am Eingang verträgt? Auch nicht vermutlich. Aber man hat zehnfache Sicherheit, dass dem DMC 20 nie die Puste ausgeht , er so weit weg ist von Verzerren, egal was gebraucht wird. 

Chaos im Vorführraum
Durcheinander beim Testen: Hinten links die PASS Class A, rechts der winzige silbrige Saga+ neben dem Bluesound Node2, vorne der zweiteilige Spectral DMC 20 mit SHAKTI EM Stabilizer

Meine derzeitige Kette besteht aus Bluesound Node2 als Streamer , Schiit Saga+ als Vorverstärker und einer PASS Aleph 0s Stereoendstufe , full Class A . Lautsprecher sind die Rauna Ymer aus dem Jahr 1982 , 2,5 Weg mit serieller Frequenzweiche, Gehäuse aus Beton. 

Gerade weil der Schiit Saga+ ein kleines Wunder an Vorverstärker ist, aktiv mit Röhrenausgang oder passiv zu betreiben und auch statt einem Potentiometer verlustlose Relais zum Durchschalten hat, habe ich mir nicht wirklich viel an Veränderung erwartet durch den Spectral DMC 20. Alles andere ist beim Hörvergleich ja geblieben wie es war , gleiche Kette, gleiche Kabel, alles wie bisher, nur eben statt Saga+ der Spectral DMC 20. Dazu noch ein Shakti Electromagnetic Stabilizer der Störfelder absaugt.

Neues Leben zieht ins Haus – Transparenz pur. 

Der Effekt den der andere (uralte) Vorverstärker brachte war nachgeradezu sensationell! Unglaubliche Durchhörbarkeit, Rauminfo wie nie zuvor, Ortung, Positionierung , Klangfarbe weit hinten positionierter Instrumente makellos. Jedes Haar des Jazzbesens einzeln zu – fast hätte ich geschrieben sehen, so stark der Eindruck. Das ganze aber absolut OHNE jeden Anflug von Schärfe. NICHT von Kerzenlicht auf Operationslampe, sondern von Klickomat auf Hasselblad oder Phase One. Oder um es Kameratechnisch neuzeitlich zu sagen: Von iPhone 1 zu 11. Man kann genau mithören wie sich Stimmen formen und welche winzigen Nuancen in guten Aufnahmen von Sängern und Sängerinnen hörbar werde, und auch hier kein Lispeln oder Spitzen zu detektieren.  

Das Saltato von Gidon Kremer auf der Fratres Aufnahme offenbart die Anteile der Saiten und des Kastens der Geige, Keith Jarrett’s Akkorde schwingen warm und vielstimmig aus. Der Hammer von Urban Gauntlet den Kevin MacLeod schwingt und trifft ins Schwarze, satt und trotzdem nicht farblos. Die Fanfare For The Common Man weckt Tote zum Leben , die Pauke wird exakt im Hintergrund wahrgenommen, ihr Fell schwingt  kontrolliert aus. 

Viele meiner Freunde waren kurz auf Besuch, die meisten haben Tage gewartet, bis sie zu Hause wieder aufgedreht haben nach dem Erlebten, manchen wurde erstmals klar wie groß das Verbesserungspotential heimischer Anlage doch ist. 

Das für mich schönste Ergebnis war zu hören, zu welchen Höchstleistungen die Teile meiner Anlage fähig sind. Der Node2 ist NIE scharf wenn er richtig verstärkt wird, die Rauna Lautsprecher können Höhen produzieren wie ich es nie für möglich gehalten hätte, Der REGA Plattenspieler dröselt Räume tiefer auf, als es zu erwarten war. Der Klang löst sich vollständig vom Lautsprecher ab.

Spectral - State of the Art 1986 bis heute
Auch nach 40 Jahren nicht wirklich erschwinglich um 8000.-€, aber jeden Cent wert.

Ich kann nur jedem empfehlen sich auf der Suche nach einem Spectral Vorverstärker zu machen, aber Vorsicht , das neu etwa 15 000 Euro teure Teil kostet auch vierzig Jahre später noch ca. 8000.- am Gebrauchtmarkt. Ich weiss jetzt warum.